Lang erwartet, endlich da
Immer wieder hat Audi die Präsentation seines neuen Modells aus der E-Tron-Reihe verzögert - ursprünglich war sie schon für 2021 angekündigt. Nach Q4 e-tron, Q8 e-tron und e-tron GT repräsentiert dieser e-SUV die nächste reine E-Plattform der Marke und gleichzeitig auch ihr erstes, komplett unabhängig entwickeltes e-Modell. Allerdings ist die Grundarchitektur des Audi Q6 e-tron nicht ganz eigenständig. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt von Audi und Porsche und nennt sich PPE-Plattform. Die Premium Plattform Electric stellt eine neue technische Basis für zukünftige Modelle der Ober- und Luxusklasse im VW-Konzern dar. So wird der Q6, wenn er ab Frühjahr 2024 bestellbar sein wird, mit dem neuen Porsche Macan einen Plattformzwilling erhalten.

Technik und Laden
Die PPE lässt im Q6 schonmal ihre Muskeln spielen. Mit Akkuoptionen von 86 oder 100 kWh Kapazität verspricht sie eine Reichweite von bis zu 600 km nach der WLTP-Norm. Audi ist es mittels Software und Batteriemanagement gelungen, Brutto- und Nettokapazität näher zusammenzubringen, also die nutzbaren Kilowattsunden des Akkus zu erhöhen und damit weniger Puffer bereitstellen zu müssen.
Zwei Elektromotoren treiben das getestete SUV an, erzielen im quattro-Tandem stattliche 295 kW (401 PS) und schieben den Q6 45 e-tron druckvoll voran. Die Topgeschwindigkeit ist bei 210 km/h limitiert, dennoch praxistauglich für ein e-Auto der Oberklasse. Eine rein heckgetriebene Variante mit kleinerem Akku ist in Vorbereitung, der Q6 45 e-tron, ebenso wie der bis zu 230km/h schnelle SQ6, der mit über 500PS und einem Spurtvermögen von 4,4 Sekunden auf 100 besonders den Fahrspass in den Vordergrund stellt. Und über einen Q6 e-tron RS wird bereits spekuliert.
Überzeugend ist die Schnellladefähigkeit von bis zu 270 kW. Erreicht wird diese durch ein 800V Bordnetz, das sehr hohe Ladeströme verarbeiten kann. Bemerkenswert ist die Fähigkeit des neuen Modells, dass es seine Batterie zum Laden virtuell in zwei Abschnitte teilen kann - das sogenannte Battery Banking. Jeder Teil kann dann jeweils mit 400V versorgt werden. Das hat den Vorteil, dass an den gängigen 400V-Gleichstromladesäulen effizienter, schneller und mit weniger Ladeverlusten nachgetankt werden kann.
Fahreindruck

Um den Q6 elektrisch abzubremsen, werden drei Rekuperationsstufen serviert, von denen die stärkste die Möglichkeit zum One-Pedal-Driving bietet, das Bremspedal also kaum noch benötigt wird.
Was in den ersten Tests besonders auffiel, ist das ausgewogene, absolut oberklassengerechte Fahrverhalten des Q6 e-tron, das insbesondere in Kurven auch seine überraschend agile Seite zeigt. Ein Ergebnis der verbauten Progressivlenkung, die wieder ein Audi-typisches, sattes Lenkgefühl vermittelt, anders als z.B. der Q4, der sich eher indifferent wie sein Plattformspender ID.4 steuern lässt. Das adaptive Luftfahrwerk passt sich automatisch den jeweiligen Fahrbedingungen und dem Fahrstil des Fahrers an. Es senkt sich bei höheren Geschwindigkeiten ab, um den Luftwiderstand zu reduzieren, und kann die Bodenfreiheit um bis zu 45mm vergrößern, wenn sich der Wagen in unebenem Gelände befindet. Weiterhin ist sie für den hohen Fahrkomfort verantwortlich, der sich als besonders angenehm und ausgezeichnet abgestimmt zeigt.
Innenraum und Design
Trotz seiner farbenfrohen Folierung liess sich die Optik des vorgestellten Q6 Prototypen bereits gut einordnen. Seine Länge ist im Bereich von ca. 4,80m eingeordnet, etwas weniger als z.B. der Q8 e-tron. Die Karosserieüberhänge sind kurz, der Radstand mit etwa 2,90m groß. Eine ungewöhnliche Design-Entscheidung war es, Scheinwerfer und Tagfahrlicht zu trennen und in zwei verschiedenen Lichtelementen an der Front unterzubringen. Einen ähnlichen Schritt ist BMW beim i7 gegangen.

Durch das durchgehende Leuchtenband am Heck wird man wieder an die Optik des Q8 erinnert. Es handelt sich laut Audi um die zweite Generation der digitalen OLED-Heckleuchten, die das Lichtdesign verbessern und die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen sollen. Zm Programm dieser Technik gehört, digitale Lichtsignaturen für das Tagfahrlicht und die Heckleuchten auszuwählen und diese auch nachträglich über die myAudi App zu ändern.

Im Innenraum herrscht durch nachhaltige, edle Materialien eine luxuriöse Atmosphäre. Es wird eine reichhaltige Serienausstattung erwartet, inklusive Matrix-LED-Scheinwerfern und Panoramadach. Von der im Testwagen verbauten High-End-Soundanlage von Bang & Olufsen waren alle Tester ausnahmslos beeindruckt. In Sachen Bedienbarkeit führt Audi ein neues Konzept mit Touchscreen-Oberflächen ein, wobei die Menüführung hier und da noch Optimierungspotenzial bietet.
Zum Platzangebot kann man feststellen, dass es unter der Fronthaube nun einen Frunk von nennenswerter Größe geben wird. Auch im Heck schlummert Größe, zum ordentlichen Kofferraum gesellt sich ein zweiter, versteckter Ladeboden.
Kritik
Mit einem Gewicht von über 2,5 Tonnen ist der Q6 e-tron kein Leichtgewicht. Dennoch befindet er sich in einer Gewichtsklasse, die in diesem Segment mittlerweile Usus ist. Dass es auch anders geht, zeigt z.B. Tesla mit dem Model Y, das es noch unter die Zwei-Tonnen-Grenze schafft. Hier gibt es Raum für Optimierung, insbesondere im Hinblick auf Effizienz und Dynamik. Das Platzangebot im Fond wurde im Hinblick auf den langen Radstand und den flachen Fahrzeugboden als eher knapp eingeschätzt, besonders im Vergleich zum EQE SUV von Mercedes. Das Bedienkonzept wird wohl sehr touch-lastig, wobei sich die Ingolstädter noch wenig in die Karten Blicken liessen, das Armaturenbrett war in den Test-Q6 Fahrzeugen mit einer Matte getarnt.
Einen kolportierten, aber nicht offiziell bestätigten Einstandspreis von rund 70.000€ kann man als "anspruchsvoll" bezeichnen, wobei ein EQU SUV oder der BMW iX auch in dieser Preisregion ansetzen.
Ausblick
Leider ist der deutlich verspätete Audi Q6 immer noch nicht bestellbar, denn mit seiner neuen, leistungsstarken PPE Basisarchitektur, den vermutlich modernsten Assistenzsystemen, dem technisch-kühlen Look mit individuellem OLED Lichtdesign sowie dem hohen Qualitätsstandard, wie man ihn aus Ingolstadt gewohnt ist, warten viele zahlungskräftige Kunden weiterhin zähneknirschend auf den Anruf ihres Händlers. Daran ändert auch die Preisgestaltung nichts, die sich schon beim Q6 55 e-tron vermutlich spielend in sechsstellige Gefilde hochkonfigurieren lässt.